Kontakte statt Sprachbarrieren: Deutsch-Französischer Bürgerbeirat legt Ergebnisse vor

Saarländer und Lothringer trennen nicht nur  Sprachbarrieren. Sie wissen auch viel zu wenig darüber, was diesseits und jenseits ihrer nur wenige Kilometer entfernten Grenzen an Kultur, Freizeit und Kulinarik alles geboten wird. Deshalb hat der vor einem Jahr im Rahmen des Pilotprojektes Common Ground gegründete erste Bürgerbeirat im Eurodistrict SaarMoselle jetzt einen Katalog von Handlungsempfehlungen erarbeitet, in dem er u.a. einen gemeinsamen zweisprachigen Internetauftritt der Grenzregion mit einem ständig aktualisierten grenzüberschreitenden Veranstaltungskalender sowie auch touristischen Hinweisen fordert.

„Für die Bewohner des Eurodistricts SaarMoselle fehlt es in vielen Bereichen an grenzüberschreitenden…Ansprechpartnern…Es fehlen Alltagsinformationen, an denen sich die Menschen orientieren können und die das Zusammenleben sowie den Austausch der Menschen untereinander und damit auch die Entwicklung einer grenzüberschreitenden Identität erleichtern und fördern“, heißt es zu Beginn in dem knapp 30seitigen ersten Ergebnisbericht des Bürgerbeirats. Der Bericht wurde am Samstagabend in der „Bel Etage“ des Spielcasino in Saarbrücken im Beisein von Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) sowie dem Präsidenten Jean-Claude Hehn vom Gemeindeverband Forbach und dem Präsidenten Marc Zingraff (Saargemünd) vom Eurosdistrict SaarMoselle vorgelegt.

Mehr grenzüberschreitende Kontakte und Informationen samt Förderung der Zweisprachigkeit, hieß die Devise. Die Veranstaltung wurde simultan ins Deutsche und Französische übersetzt – obwohl der überwiegende Teil der 40 Personen des rein ehrenamtlich arbeitenden Bürgerbeirats  (20 Personen von jeder Seite, Parität von Frauen und Männern) zumindest etwas zweisprachig waren. Mehr als zwei Drittel der Mitglieder des Bürgerbeirats, die zum Teil in den Grenzgemeinden ausgelost wurden, waren schon im Rentenalter. 70 Prozent von ihnen brachten Erfahrungen in der deutsch-französischen Zusammenarbeit mit. Aufwandsentschädigungen gab es für die Bürgerbeiräte in sieben thematischen und nochmals sechs vertiefenden Sitzungen nicht. Plädiert wurde bei der Ergebnispräsentation dafür, künftig mehr Jüngeren ins Boot des ehrenamtlichen Bürgerbeirats zu nehmen.

Noch ist die Zukunft des Bürgerbeirats allerdings ungewiss. Angestrebt wird eine Fortführung des Modells zumindest bis 2027 sowie ein späteres Sicherstellen der Bürgerbeteiligung bei der strategischen Ausrichtung des Eurodistricts SaarMoselle 2028-2034 durch Mitsprache und öffentliche Finanzierung.

Bislang wurde die Initiative zur grenzüberschreitenden Bürgerbeteiligung im Rahmen des mit über 200 000 Euro bezuschussten Pilotprojektes „Common Ground – Über Grenzen mitgestalten“  von der Robert Bosch Stiftung gefördert und federführend von der Landeshauptstadt Saarbrücken und dem Gemeindeverband Forbach Porte de France, mit Begleitung und Moderation durch das Euro-Institut (Kehl) und wissenschaftlicher Betreuung des Nexus-Instituts (Berlin) umgesetzt. Weitere Partner waren der Entwicklungsrat im Gemeindeverband Forbach sowie die  gemeinnützige und grenzüberschreitende Seniorenvereinigung Europ’age Saar-Lor-Lux, der Regionalverband Saarbrücken und der Eurodistrict SaarMoselle. Die Bürgerbeirats-Vorsitzenden Bernd Krewer (Saargemünd) und Heike Bornholdt-Fried (Saarbrücken): „Wie es nach der Experimentierphase weitergeht, wird von den politisch Verantwortlichen im Eurodistrict SaarMoselle zu entscheiden sein“.

„Insgesamt können wir mit dem Pilotprojekt sehr zufrieden sein“, freut sich jedenfalls die bisherige Common-Ground-Projektleiterin Lisa-Marie Oevermann: „Das Thema ist bei den Bürgerinnen und Bürgern auf reges Interesse gestoßen, was sich unter anderem an der Vielzahl der Bewerbungen für den Beirat feststellen lässt. Es ist ermutigend zu sehen, wie engagiert die Mitglieder des Beirats untereinander diskutieren und gemeinsam Ideen für unsere Grenzregion von morgen erarbeiten“.

In seinen jetzt vorgelegten „Handlungsempfehlungen für eine gemeinsame Grenzregion von morgen“ regt der Bürgerbeirat SaarMoselle unter anderem auch ein sichtbares „Bürgerbüro für grenzüberschreitende Fragen als Schaufenster des Eurodistricts“ samt Beratung und Kontaktbörse für Vereine und Organisationen sowie eine kontinuierliche Zusammenarbeit der Tourismusämter entlang der Grenzorte, einen grenzüberschreitenden Tourismuspass („SaarMoselle-Card“) und einen grenzüberschreitenden Gesundheitspass an. Auch hinsichtlich Sprachförderung und Wirtschaft müsse mehr geschehen, um die Region stärker zu machen, hieß es. Ein aus Bürgersicht geforderter „europäisch verfasster grenzüberschreitender Kommunalverband SaarMoselle“ mit direkt gewählten Delegierten, dürfte allerdings auch auf längere Sicht politisch wohl kaum durchsetzbar sein.

Der grenzüberschreitende Bürgerbeirat sieht in seinem Ergebnisbericht sogar Risiken für den Eurodistrict SaarMoselle: „Die wesentlichen Bedrohungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stellen aus Bürgersicht die aktuellen politischen Entwicklungen dar, die in naher Zukunft…Initiativen und Projekte in Frage stellen und entsprechend deren Finanzierung zugunsten nationaler und militärischer Aufrüstung reduzieren können“. Gerade deshalb komme zur Stärkung der Demokratie der Etablierung eines funktionierenden und wertgeschätzten grenzüberschreitenden Bürgerbeirats eine besondere Bedeutung zu.

Udo Lorenz, Foto U.Lorenz, EUROPEDirect