Internationaler Europ’age-Seniorenkongress: Digitalisierung muss für Ältere einfacher werden

Die fortschreitende Digitalisierung per Smartphone und Internet statt Telefon und persönlichen Behördenbesuchen behindert nach Ansicht der Bundesarbeits-gemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) immer mehr die Teilhabe älterer Menschen in der Gesellschaft. Auf einem internationalen Seniorenkongress zum Thema Altersdiskriminierung forderte die BAGSO-Vorsitzende und frühere saarländische Sozialministerin Regina Görner (CDU) deshalb am Freitag in Saarbrücken, für ältere Menschen technisch wesentlich leichter zu bedienende Kommunikationszugänge beispielsweise auch per Fingerabdruck statt Passwörtern zu schaffen. Zudem sollten Senioren auch weiterhin immer die Möglichkeit haben, die Steuererklärung per Papier abgeben zu können, Schwimmbad- und Bargeld weiter in der  Nähe abheben zu können.

Im Rahmen der von der BAGSO in Bonn gestarteten Kampagne „Leben ohne Internet – geht’s noch ?“ appellierte Görner dazu an alle ältere Menschen, selbst bei Sparkassen, Theatern, Finanzämtern oder auch Kircheneinrichtungen vorstellig zu werden und dort ihre Rechte auf Teilhabe auch ohne Online-Zugang einzufordern. Zugleich warb die Chefin von 130 Senioren-Dachorganisationen in Deutschland dafür, unter dem Motto „Jung hilft alt – alt hilft jung“ die technische Versiertheit und Neugier jüngerer Menschen in der Gesellschaft ebenso mehr zu nutzen wie die die noch längst nicht ausgeschöpften Ressourcen älterer Menschen mit ihrem beruflichen Erfahrungsschatz.

Die Staatssekretärin im saarländischen Sozialministerium, Bettina Altesleben (SPD), berichtete von einer aktuellen Studie, wonach in Deutschland ein Drittel der Bürger meinten, alte Menschen sollten für die jüngere Generation Platz machen. Und 51 Prozent seien laut Umfrage dafür, dass Menschen nur bis zu einem bestimmten Alter politische Ämter innehaben dürften. „Diese Zahlen haben mich betroffen gemacht“, betonte Altesleben: „Wir müssen bestimmte stereotype Altersbilder im Kopf korrigieren und als Regierungen die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen stärken“.

Altesleben war Schirmherrin des Kongresses in Saarbrücken, der vom neugebildeten Seniorenrat der Großregion CSGR (gegründet am 27. April in Schengen/Luxemburg) und der Seniorenvereinigung Europ’age Saar-Lor-Lux organisiert wurde und mehr als 100 Repräsenranten von Seniorenvereinigungen aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, dem franzöischen Lothringen, Luxemburg und der Wallonie/Belgien in Saarbrücken zusammenführte. Sie alle beklagten  Benachteiligungen älterer Menschen im Gesundheitsbereich ebenso wie im Behördenleben oder auch bei neuesten Überlegungen innerhalb der EU, künftig Führerscheinprüfungen ab 70 und den digitalen Euro einzuführen.

Europ’age-Präsidentin Esther Ribic sagte, Jung und Alt sollten sich nicht auseinanderdividieren lassen und gemeinsam an einem neuen Altersbild in der Gesellschaft arbeiten, das irgendwann jeden betreffe. Der Präsident des Seniorenrats der Großregion, Romain Maurer (Luxemburg), nannte die Bereiche Wohnen, Armut, Digitalisierung, Gesundheit und Pflege samt Einsamkeit und Ausgrenzung als grenzüberschreitende Probleme vieler älterer Menschen. Er verlangte eine neue Art und Weise, wie man vom Alter denkt. Zugleich warb er aber auch dafür, dass sich ältere Menschen künftig noch mehr mit all ihren Fähigkeiten – auch ehrenamtlich – in die Gesellschaft einbringen.
Der Vizepräsident des französischen Departements Moselle und Beauftragte für internationale Beziehungen in der Großregion, Gilbert Schuh, sagte dem aus einem EU-Interregprogramm „Senior activ“ hervorgegangenen Projekt von Seniorenrat CSGR und Europ’age weitere finanzielle Unterstützung zu. Der Abgeordnete Christian Simon aus Belgien-Wallonie mahnte an, grenzüberschreitend auch mehr gegen Diskriminierung älterer Menschen in der Pflege zu tun. In seiner Region, so berichtete er, gebe es öffentliche digitale Räume, in denen sich ältere Menschen spielerisch den neuen Herausforderung von Smartphone, Internet und Co. widmen könnten.

Der Beigeordnete Antoine Sprenger aus Forbach/Lothringen plädierte für mehr und einfachere Möglichkeiten zu Arztbesuchen diesseits und jenseits der Grenze. Grenzschließungen wie zeitweise in der Coronazeit seien der falsche Weg. Ermöglicht werden müssten auch wieder mehr Hausbesuche von Ärzten bei älteren Menschen. Lothar Arnold, Vize-Vorsitzender des Landesseniorenrats Saarland, und Helmut Giesen, Vize der Landesseniorenvertretung Rheinland-Pfalz, betonten, die Seniorenvertretungen müssten darauf dringen, dass die Politik erkennt: „Hier ist Handlungsbedarf“.

Autor: Udo Lorenz

Fotos:@JeannotClément